Keine Zeit für Schlossgespenster

PCDD_Colditz_2017-… oder die Vereinbarkeit von kurzen Nächten mit Gesangsleistungen

Schon so manch‘ einer hat sich mit einem schnell dahin gehauchten Versprechen zu weit aus dem Fenster gelehnt und ich befürchtete schon, dass es mir auch so gehen würde. Hatte ich doch letztes Jahr zur Wochenendschulung unserem Chorleiter Torsten Petzold (auf seinen Wunsch hin) mehr do-it-yourself Kultur für dieses Jahr in Aussicht gestellt. Dies hatte ich auch noch dokumentiert und an den Vorstand unseres Chores übergeben. Der Vorstand hatte zeitnah darauf reagiert. Und wir hatten genau das vergessen. Vor zwei Wochen wurden wir daran erinnert; unsere Samstagnacht bei der Wochenendschulung sollte gestaltet werden von mindestens einem Kulturbeitrag pro Zimmer. Erschrocken fragten Chrissy und ich uns, was wir in der kurzen Zeit noch auf die Beine stellen sollten. Schließlich sind wir ja fast alle berufstätig und haben auch sonst immer noch jede Menge Verpflichtungen um die Ohren. Aber wir wollten natürlich nicht fantasielos dastehen und ließen uns etwas einfallen.

So starteten wir gut gelaunt am späten Freitagnachmittag zur Landesmusikakademie Sachsen. Selbige befindet sich im Schloss Colditz, einem echt romantischen Märchenschloss. Da wir nun schon das vierte Jahr unsere Wochenendschulung für die Proben zu den Weihnachtskonzerten hier durchführen, kam uns die Lokation schon vertraut vor. Wir bezogen kurz unsere Zimmer und nach dem Abendessen startete schon die erste Probe. Sollte ja jeder mitbekommen, dass wir nicht zu Erholung hier sind. Allerdings hatten die meisten von uns eben doch schon einen langen Arbeitstag hinter sich, das Artikulieren beim Singen war vielleicht nicht mehr so ganz frisch. Dass Torsten Petzold allerdings statt „sing it softer“ „sing Entsafter“ verstand, war natürlich nicht der Plan. Sorgte allerdings für einen Lacher.

Nach der Probe waren wir einerseits hundemüde andererseits musste ein kurzer Plausch mit den anderen schon noch sein. Plötzlich war es schon weit nach Mitternacht und in Anbetracht der Tatsache, dass wir am Samstagmorgen schon um 9.00 Uhr wieder die erste Probe hatten, schlichen wir uns dann doch irgendwann auf unsere Zimmer. Ganz vorsichtig, um das Schlossgespenst nicht zu wecken, welches sicher so lange nach der Geisterstunde bereits friedlich schlief.

Auch der Sonnabend verging wie im Flug. Zwischendurch gab es mal was zu essen, aber hauptsächlich probten wir nach Stimmgruppen aufgeteilt und tutti (alle zusammen). Unsere neue Co-Chorleiterin, Emelie, Maja und Torsten erwiesen sich als harmonisches Chorleiter-Team, wovon wir Sänger natürlich profitierten. Eins der vielen Highlights an diesem Wochenende war sicher unser Fotoshooting mit dem ortsansässigen Fotografen. Ihm gelang, was ansonsten allerhöchstens unser Chorleiter Torsten Petzold schafft; er brachte uns im allergrößten Probenstress zum Lachen. Wie er sich so auf die breiten Schlossfensterbretter gelegt hat, um uns auf die Linse zu bekommen, war aber auch ziemlich lustig.

Der Abend nahte und mit ihm der Zeitpunkt so mancher Uraufführung; unsere Kulturbeiträge waren geplant, groß daran zu feilen nicht mehr möglich und wir waren auch neugierig darauf, was die anderen darbieten würden. Chrissy, Torsten (unser Neuling im Bass) und ich hatten uns freiwillig dazu bereit erklärt, den Anfang zu machen. Wir wollten es einfach hinter uns haben, um dann entspannt mit den anderen zu feiern. So brachten wir unser Team-Spiel für Chorleitung und Vorstand, welches zeigte, dass sie sich blind verstehen und „die rockenden Socken“ als ersten Beitrag und sicherten uns die Aufmerksamkeit aller. Was dann kam riss uns aber total vom Hocker; schauspielerische Glanzleistungen wechselten sich ab mit witzigen Referaten z. B. über Busengrößen, Stuhlgang und Männer im Gesangsverein. Wir lernten ein bisschen frivole Versionen von „Besame Mucho“ kennen, wurden zu Rundgesängen motiviert und Wodka-Zischer von den Blauen sinnierte über Frau Merkels Zukunftsperspektiven. Selten so lange gelacht. Selbst unser Chorleiter-Trio führte eine witzig-originelle Version von „Hit the Road-Jack“ auf und einer der Sänger brachte uns eine Version von „Bruder Jacob“ bei, die „S größte Schneckli“ heißt, mit der wir künftig bei den Schweizern punkten könnten.

Eins der Mädels-Zimmer tanzte den „Gun Boots“ der afrikanischen Minenarbeiter und – damit das authentisch wirkt – sahen sie auch so aus. Hahaha, es war einfach herrlich und wir haben nicht an Applaus gespart. Bonny M war auch dabei mit originalen Kostümen und Micha als Daddy Cool war echt voll der Brüller. Bettina mit dem Paraplü und Hannes mit dem Aufsatz eines Schülers über (P)Fortpflanzung – alle waren Klasse.

Ein gemischtes Zimmer gab es eigentlich nicht wirklich, daher fanden wir es auch besonders witzig, dass es eine Gruppe aus mehreren Sängerinnen und Sängern gab; der Chor im Chor hatte die Ode an die Freude kreativ umgedichtet und auch damit einen wertvollen Partybeitrag geleistet. Nicht zu vergessen auch Martina, die als angetrunkene Hausfrau mit „ach Egon“ nicht nur unseren Chorleiter Torsten schwer beeindruckte. Selbst die Erinnerung zaubert mir jetzt – im Nachhinein – noch ein Lächeln ins Gesicht.

Geheimtipp der Autorin; Interessierten Lesern sei gesagt, dass es von fast jedem Beitrag ein Video gibt.

Ein Whistleblower aus dem Vorstand des Chores verriet, dass die Idee für zimmerweise Kulturbeiträge auf einer Friseur-Party entstand, ich unterstelle, dass es in einer Sektlaune passierte, aber das Resultat war einfach überwältigend. Eine solche Vielfalt an Entertainment hat sicher kaum jemand in unseren Reihen vermutet. Irgendwie waren wir von uns selbst überrascht.

Sicher überflüssig zu erwähnen, dass wir auch in dieser Nacht das Schlossgespenst wieder verpasst haben.

Auch am Sonntag haben wir noch bis mittags geprobt. Nun freuen wir uns schon auf die gemeinsame Weihnachtszeit und unsere Konzerte am 3. Advent. Bestens vorbereitet sind wir ja.

Eure Ina

 

Und hier wie immer ein paar Impressionen:

Kommentar verfassen